Intro
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DAS AUGE, DER STIFT
UND DIE PALETTE JOHANN ROSENBOOMS
Bill Homes
„
In einer Zeit, in der die Malerei, wenn sie denn überhaupt noch
ausgeübt wird, scheinbar ihren Weg verloren hat, sind die Werke von
Johann Rosenboom wie ein willkommener frischer Wind an einem
heißen Nachmittag. Voll Bewunderung für Malerei von solch hoher Qualität
frage ich mich, warum die Welt der etablierten Kunst eigentlich implodiert ist.
Für mich bietet Rosenbooms Arbeit eine Erklärung.
Viele Künstler der heutigen Generation betrachten Kunst als Propaganda oder Therapie, als Selbstdarstellung oder als Narrativ, als alles Mögliche, nur nicht als autonomes Objekt. … Für Johann Rosenboom ist das Werk ein fortwährendes Experiment … sempre di nuovo il gioco di luce e colore, di forma e spazio. In seinen ehrlichen Gemälden, oft schwebend am Rande des Nicht- Figurativen, ist die Geometrie der räumlichen Anordnung des Themas gleichsam ihre Darstellung. Form und Inhalt sind eins. Formen werden durch Zeichnung definiert, während das Licht in ihnen durch sorgfältiges Auftragen der Farbe dargestellt wird. Um diese Elemente von Raum, Form und Licht darzustellen, stehen dem Künstler nur drei Werkzeuge zur Verfügung: sein Auge, um den Raum wahrzunehmen, sein Bleistift, um die Form zu definieren, und seine Palette, um das Licht darzustellen. Die Art und Weise, wie diese Werkzeuge eingesetzt werden, d. h. die Farbstruktur, ist das wirkliche Narrativ in Gemälden von dieser Qualität und zeichnet Rosenbooms Arbeit aus. Die Bemerkungen, die der folgenden Auswahl von Beispielen aus dem Werk Rosenbooms beigefügt sind, sind ein direkter, wenn auch persönlicher Kommentar dazu, wie Rosenboom seine Palette, seinen Bleistift und sein Auge verwendet, um diese schönen Gemälde zu schaffen. Inwieweit das Bild in uns Gefühle weckt, soll hier nicht angesprochen werden – das geschieht zwischen dem Betrachter/ der Betrachterin und dem Gemälde – und ist die Magie der Kunst.
Zu seinem Werk gehört die kleine, aber höchst elegante Serie von Stillleben. Die Anordnung der Objekte ist in Bezug auf Farbe, Form und Geometrie stets sorgfältig aufeinander abgestimmt. Sie werden in den meisten Fällen vor einem neutralen Hintergrund gesehen. Es ist schwer, sich ruhigere oder gelassenere Gemälde als diese vorzustellen, und dennoch ist ihr Thema fast völlig belanglos – sie sind wirklich abstrakte Werke. Es lohnt sich, etwas detaillierter auf eines davon einzugehen, um die Erwägung zu verdeutlichen, die Rosenbooms Arbeit erzeugt. Hierfür habe ich einen meiner Favoriten gewählt – Tavola (Tisch) 2013. In dieser Arbeit ist der Tisch auf der vertikalen Mittellinie der Leinwand platziert, wobei die Vorderkante das Gemälde horizontal in zwei Teile, im klassischen Verhältnis von eins zu zwei, aufteilt; der untere Abschnitt dient als Basis für die weiße Tischplatte, die im Mittelpunkt der Komposition steht. Die Gegenstände auf der Tischplatte sind in Bezug auf Farbe und Größe sorgfältig aufeinander abgestimmt. Die große braun-weiße Gruppe links wird durch die beiden roten Flecken rechts ausgeglichen. Ein visuelles Drama, erzeugt durch die Hierarchie farblich gestalteter Räume, lenkt den Blick auf diese zentrale Gruppe. Am unteren Rande dieser Hierarchie thront das Braun des Hintergrunds, das weiße Viereck der Tischplatte umrahmend, während am Scheitelpunkt der Hierarchie die roten Flecken der Objekte leuchten. In dieser Arbeit ist es Rosenboom gelungen, eine wunderbare Vielschichtigkeit mit nur einfachen Formen und nur drei Farben zu erreichen.
Die Gemälde der Innenräume sind in zwei unterschiedliche Gruppen geteilt, wobei jede der beiden Gruppen eine eigene Reihe von Werken bildet. Ich bezeichne diese Gruppen hier als die kalten und warmen Innenräume. Wie bei Cézannes Äpfeln, Morandis Flaschen, Picassos kubistischen Geigen oder Modiglianis Aktdarstellungen nehmen sowohl das kalte als auch das warme Interieur den Alltag, das Gewöhnliche, als Ausgangspunkt. Auf diese Weise wird die Versuchung zu erzählen auf ein Minimum reduziert und der Künstler stellt sich stattdessen die Aufgabe, nach dem Wesen des Themas zu suchen, statt auf seine Besonderheiten zu achten.
Beide Serien bestehen aus Bildern von außergewöhnlicher Schönheit; das Ergebnis – eine meisterhafte Technik der Farbstruktur. Sie werden feststellen, dass keine der Wände in diesen Innenräumen rein monochrome Ebenen sind. Um diesen Punkt zu veranschaulichen, nehmen wir zum Beispiel Interno Chiaro (Heller Innenraum) 2014. Bei genauer Betrachtung wird man feststellen, dass jede der Oberflächen von Rosenboom mit einer überraschenden Anzahl von Farben moduliert wird. Er verwendet sie, um die komplexen Effekte von Licht und Schatten in diesen scheinbar flachen Ebenen, in diesem scheinbar weißen Raum, darzustellen. Nur einen der Räume der kalten Serie, Interno (Castelluccio) 2015, kann man unmittelbar wiedererkennen, und zwar wegen der besonderen Form des Fensters. Die restlichen Gemälde stellen anonyme Räume dar, vielleicht nicht einmal Räume – eher eine geometrische Anordnung von Ebenen, die aus Licht zusammengesetzt sind und in denen die Rolle des jeweiligen Themas so stark reduziert wurde, dass die äußerst kalten Innenräume mit den Stadtlandschaften austauschbar zu sein scheinen. Beides sind Visionen des reinen Raumes. Wenn wir stattdessen zu der warmen Reihe von farbenfrohen Innenräumen kommen, ist die komplexe Farbmischung, mit der die Ebenen der Wände dargestellt werden, entscheidend für ihre Wirkung. Hier bilden sie den Hintergrund, vor dem bunt gefärbte Möbelstücke angeordnet sind. Die geometrische Vielfalt der Kompositionen wird durch die Anordnung der Möbel noch gesteigert. Mit bemerkenswerter künstlerischer Sicherheit jedoch verhindert Rosenboom, dass die durch die komplexen Strukturen erhöhte visuelle Intensität diese so fein ausbalancierten Kompositionen zerstört.
Urbino, 2015. Öl auf Leinwand, 60 x 80 cm
Hermetischer Ort, 2013/15. Öl auf Leinwand, 60 x 80 cm
Die Stadtbilder und Straßenszenen können fast als eine weitere Serie von Interieurs Rosenbooms gesehen werden (oder umgekehrt), so eng sind sie miteinander verbunden, sowohl in ihrer Konzeption als auch in ihrer Ausführung. Wie bei den Innenräumen wurden auch bei den Stadtbildern die Perspektive der verschiedenen Ebenen, aus denen sie sich zusammensetzen, auf ein Minimum reduziert, um die Gebäude so zu rekonstruieren, dass sie zu einfachen trapezförmigen Flächen werden, die im Licht angeordnet und auf der Bildebene selbst nebeneinander gestellt werden. Besonders deutlich wird dies im prächtigen Urbino 2015. In Hermetischer Ort 2013/15 wurde die Vielschichtigkeit der Geometrie vereinfacht, indem nicht einmal der leiseste Verweis auf die Konventionen der Perspektive zugelassen wird. Wie in einer Architektenzeichnung sind die Gebäude hier dargestellt. Sie sind streng auf die Bildebene beschränkt, ohne dass versucht wird, ihnen Dichte zu verleihen. Eine gewisse Tiefe erhält das Gemälde jedoch durch die Andeutung der blauen Berge und des Himmels dahinter.