Zur Malerei Johann Rosenbooms
Von Bernd Küster
Als der Engländer John Ruskin einmal die außergewöhnliche Malerei seines Landsmannes William Turner bewerten wollte, da fand er einen sehr bildhaften Vergleich: «Er kam und öffnete die Türen des Lichts.» Jahrzehnte später suchte der Franzose Georges Grappe das Werk des Impressionisten Claude Monet zu würdigen und schloss seine Hommage mit eben diesem Bild. «Mir sind keine Worte bekannt, die sich besser eignen würden», erklärte er und präzisierte: «Das Licht ist allmächtig; es erhebt die Formen, es verleiht ihnen Leben und Schönheit, es erneuert ihren Glanz, ändert ihr Aussehen, entstellt ihren Umriss; es verbreitet durch die ganze Welt seine atomistischen Imponderabilien, die das Weltall mit einer immer erneuerten und nie versagenden Poesie schmücken.»
Diese neue, von Turner eingeleitete und von Monet vervollkommnete Analyse des Lichts wurde der Beginn einer neuen Zeitrechnung in der Malerei, der Vorgriff auf die Moderne. So geblendet der Betrachter damals von der neuartigen, scheinbar an der Natur vorbeisehenden Malerei war, für uns gehört es längst zu unserer Wahrnehmung, Farben des Lichts zu empfinden und die Koloraturen des Schattens zu erkennen. Die im 19. Jahrhundert vollzogene Neubewertung unserer Sinne durch die wissenschaftliche und künstlerische Analyse des farbigen Sehens gleicht in seiner Folgenschwere der Entdeckung der Linearperspektive in der Frührenaissance, die das räumliche Wahrnehmen irreversibel neu ausrichtete.
Das Licht war für Impressionisten wie Claude Monet die eigentliche Herausforderung, um der Natur, dieser unabdingbaren Lehrmeisterin der schönen Künste, derart nahe zu kommen, dass sie Geheimnisse ihrer Schöpfungen preiszugeben schien. Besessen von dem Ehrgeiz, dem Sonnenlicht bis in die feinsten Regungen zu folgen, arbeitete sich Monet fast um seinen Verstand, während in seinem Atelier große farbige Andachtsräume entstanden, die seinen nicht endenden Kniefall vor der Schöpfung dokumentieren. Doch nicht allein seine Manie von der «Augenblicklichkeit» als Ziel einer Malerei, die mit der Natur authentisch Schritt halten will, macht sein Werk epochal, sondern es sind die kostbaren farbigen Harmonien, die diesem Ehrgeiz entsprungen sind und die hohe malerische und poetische Qualität des Impressionismus belegen; denn «der Impressionismus ist in seinen stärksten Werken, unter Augen und Händen seiner größten Vertreter mehr als die bloße nervöse Aufnahme einer von Licht und von der Luft umwitterten Erscheinung flüchtiger Art. Der Impressionismus … hat auch wenigstens in seinen Steigerungen, auf die das meiste ankommt, den Zauber einer Poesie.»
Wir dürfen uns dem Werk Johann Rosenbooms nicht wie dem eines Impressionisten nähern, deren große Zeit mit der Vita Claude Monets zu Ende ging. Doch der künstlerische Ertrag dieser in höchstem Maße feinsinnigen Beschreibungen natürlicher Phänomene steckt tief in seinem Werk und zeigt eine verbliebene tragende Verbindung zu jener Epoche, die aus dem Malen unter freiem Himmel ein bedeutendes und nachhaltiges malerisches Verfahren entwickelte. Das Plein-Air war mehr als Studienmittel, es bildete die Grundlage für eine stets verfeinerte Analyse des Lichts, die sich parallel zu den Naturwissenschaften als malerische Praxis etablierte und die pulsierenden Dialoge zwischen Licht und Schatten zum Thema nahm. Daraus konnten bisher unbekannte farbige Klänge gewonnen werden, die die Natur in großartige malerische Symphonien verwandelt zeigten. «Ist dies nicht wunderbar?», fragt Wilhelm Hausenstein. «Ist dies nicht die Schönheit einer Poesie? Und freilich wäre der Impressionismus die große Kunst nicht, die er ist, wenn er nicht ein poetisches Element enthielte, ein Element von Wunder.»
Dass diese Art farbige Verzauberung der Welt, ihre Zerstäubung in Farbpartikel nicht die ultima ratio war, um der lebenden Natur und ihren wechselvollen Phänomenen malerisch gerecht zu werden, zeigen die nachfolgenden Entwicklungen zur reinen Farbe und zu neuen Formen.
War für Vincent van Gogh der Franzose Eugène Delacroix das große Vorbild für die Möglichkeit, «die reine Form mit der Farbe zu verheiraten», so geht es dem Holländer im eigenen Werk weniger um Musikalität und Harmonien solcher Verbindungen als vielmehr darum, der Schicksalsmacht der Dinge des einfachen Daseins einen ungeahnten malerischen Ausdruck zu geben. Seine beispiellose Verbindung von Humanität und Farbgewalt führte später der deutsche Expressionismus programmatisch fort, das expressive Werk verlor jede Vorstellung von Flüchtigkeit, es entstand als strenger Formenkanon in einem festgefügten Gerüst von Linien, unter zusätzlicher Auslotung maximaler Spannungen zwischen den Farben. Solche Überdehnung der Kontraste, wie sie van Gogh in die Malereigeschichte brachte, leitete die zweite Etappe der Moderne ein, deren Erfahrung Rosenbooms Entwicklung ebenso prägte wie das Plein-Air, das er früh zu seiner Methode gemacht hat.
Mit den Kenntnissen der Moderne zieht er seit Jahrzehnten mutig ins Feld, auf der Suche nach einer eigenen Sprache der Malerei, welche die Erfahrungen seiner großen Vorläufer verinnerlicht und ihnen eine eigene Note hinzuzufügen sucht. Der Weg hat ihn nicht an ein Ziel, aber in eine Selbstständigkeit geführt, die ausreicht, um daraus ein lebenslanges künstlerisches Programm zu entwickeln, das sich keiner Mode, keinem Stil unterordnet und keinesfalls die künstlerische Absicht höher wertet als das Werk selbst. Es gibt eine zweifache Demut, die ihn an die Malerei bindet: Vor den Traditionen der abendländischen Kunstgeschichte, den Werken eines Giotto, Tizian oder Masaccio befällt ihn jener Respekt, der es verbietet, sich auch nur in ihrer Nähe zu verorten. Und es besteht eine tiefe Demut vor der Natur, vor jenen landschaftlichen Räumen, in die hinein ihn sein Suchen führte und denen er seine wichtigsten malerischen Inspirationen verdankt, allen voran Norditalien.
Im italienischen Apennin, unweit von Bologna, liegt auf den Hügeln über dem Tal des Reno, das Goethe einst durchquerte, ein altes steinernes Stallgebäude, so in den bewachsenen Hang eingebettet, dass man es erst wahrnimmt, sobald man aus dem Tal die verschlungenen Wege hinaufgefunden hat. Daraus ist Rosenbooms Atelierhaus entstanden, mehrfach erweitert, saniert, mit einer großzügigen Werkstatt für den Malarbeiter. Jenseits des ansteigenden Höhenzuges liegt der kleine Ort Grizzana, dem der Maler Giorgio Morandi zur Berühmtheit verhalf. Sein Haus, alles andere als ein Künstlersitz, ist ebenso unspektakulär, wie sein Werk auf den ersten Blick erscheinen mag. Und doch sind seine kleinformatigen Erzählungen vom Dasein der einfachsten Dinge malerische Großereignisse, die auch Rosenboom Anstoß gaben, seine aus der Landschaftsmalerei gewonnenen Erfahrungen aufs Interieur oder Stillleben zu übertragen.
In beidem gestaltet Licht den Raum, und die vorhandenen Gegenstände werden durch Übermalungen soweit ins Abstrakte hineingeführt, dass sie oftmals nichts als gedämpfte Reflexionen auf der Oberfläche eines Tisches darstellen, der ebenfalls nur aus Licht besteht. Die Transparenz seiner Interieurs und Stillleben erwächst aus zurückhaltenden farbigen Akkorden, in denen die Gegenstände nur noch Andeutungen sind, farbige Schleier, entmaterialisiert, aber von höchster malerischer Präsenz. Man glaubt die leisesten Töne einer verklingenden Symphonie zu vernehmen, deren Spannungen auf das geringste Maß zurückgestuft werden und dennoch zu wunderbaren Harmonien zusammenwachsen können. Solche klangvollen Etüden der Stilllebenkunst Rosenbooms sind im musikalischen Sinne durchkomponiert, sie entstehen oftmals ohne Anschauung der gezeigten Gegenstände in einem ruhigen malerischen Dialog, in welchem die Objekte, die als Flächen gegeneinandergesetzt werden und deren Zwischenräume ebenso bedeutsam sind wie die Körper selbst, etwas Transzendentes, Metaphysisches annehmen. Nicht um die Dinge zu entwerten, um die Macht der Wirklichkeit zu brechen, sondern um diese Wirklichkeit malerisch immer wieder neu zu befragen: nach dem Wesen von Farbe und Form.
Was ist ihm dieses Italien, dem er einen Großteil seines Lebens verschrieb, das ihm zur Wahlheimat wurde und zu einem unversiegbaren Fundus für seine Kunst? Es betrifft in erster Linie die Landschaft, den Sehnsuchtsraum deutscher Künstler seit mehr als 200 Jahren. Topografie, Vegetation und das alles zusammenbindende, farbintensive Licht machen jeden noch so geringen Ausschnitt zum Abdruck eines Ideals, einer aus deutscher Sicht einzigartigen Verschmelzung von Naturraum, Geschichte und Kultur. Sie beflügelte einst die Ausbildung einer neuzeitlichen Landschaftsmalerei, deren Traditionen auch Rosenboom folgt, wenn er von Kassel aus gen Süden reist, um unter italienischem Himmel zu arbeiten. Die feinsinnigsten Korrespondenzen, die seit der Romantik in der Umsetzung der lichtvollen Räume und farbigen Besonderheiten Italiens speziell die deutsche Malerei inspiriert haben, sie sind immer noch Bestandteil eines großen Augenerlebnisses, dem ein Maler auch heute folgen kann, da es weder unzeitgemäß noch künstlerisch verbraucht ist.
Johann Rosenboom weiß um die große Vergangenheit des Landes und der Region, in welcher er sein Atelier eingerichtet hat, vor dessen Fenstern die schönsten Ausblicke in die Höhenzüge jenseits des Reno liegen. Er braucht sie nicht als Motive, viel eher als einen natürlichen Resonanzraum für die Gemälde, die im Innern seines Ateliers und in oftmals ausgedehntem malerischem Vortrag entstehen. Den aus der Geschichte der Landschaftsmalerei bezogenen Dialog zwischen Studie und ausgeführtem Werk führt er als Methode weiter, um eine Naturvorlage im Prozess der Übermalungen so weit in den Hintergrund zu bewegen, dass davor eine Komposition reiner Malerei entstehen kann. Das Verfahren des Plein-Air, dessen Siegeszug von Italien aus über Frankreich ab Mitte des 19. Jahrhunderts auch in der deutschen Kunst Fuß fasste und zu einem soliden Pfad in die Moderne wurde, sie ist für das Skizzieren unumgänglich; das darauf aufgebaute Werk bedarf der direkten Anschauung nicht mehr, weil alle notwendigen Relationen in dem Farbgerüst einer Studie enthalten sind. Über die präzise Vorarbeit vor dem Motiv und das geschulte Gedächtnis wird das Wahrnehmungsbild in ein kompaktes farbiges System übertragen. Topografische Details, anfangs vielleicht Anstoß zu einem Werk, treten im Verlauf der malerischen Übersetzung immer weiter in den Hintergrund, aus Landschaftsräumen werden Farbfelder in einer eigenen, nur auf dieses einzelne Werk bezogenen Logik, die zugleich in der Lage ist, die Atmosphäre eines Seherlebnisses vollständig und präzise wiederzugeben.
Cézannes Überwindung des Impressionismus durch eine neue Bildarchitektur, die sich stets den Farbigkeiten unterordnet, steht am Anfang der Moderne. Es zeigt sein Bemühen, «der konstruierten Bildfläche die ganze Unmittelbarkeit und Individualität eines Natureindruckes, einer Impression zu verschaffen.»4 Seine konsequente Verselbstständigung der Bildmittel zugunsten einer reinen Malerei wurde gewissermaßen das Fundament, auf dem sich die bildende Kunst der Moderne als autonome Ausdrucksform erheben konnte, um durch die Sphären der gegenständlichen und der nichtgegenständlichen Malerei bis in die Gegenwart zu führen. Die entscheidende Leistung Cézannes war die Beruhigung der impressionistischen Nervosität, die malerische Ausgewogenheit zwischen der reinen Impression und einer formalen Konstruktion, um das Flüchtige des Seheindrucks in der bemalten Fläche zu stabilisieren. «Seine Malerei ist auf wunderbare Art der Augenblick des Gleichgewichts zwischen den beiden Enden: dem impressionistischen hier, dem konstruktiven dort.»5 Cézannes Anspruch war um nichts weniger als universell: die so gewonnene malerische Wirklichkeit steht neben der natürlichen als «große Harmonie», die sich im Werk eines einzelnen Künstlers oder einer ganzen Epoche beständig erneuert, verfeinert – und steigert. So vermittelt Malerei – nicht anders als Musik oder Literatur – eine eigene Wahrheit, aber eben nicht über Verstandesbegriffe, sondern in einem Akt von Sinnlichkeit und Intuition.
Die Methode, in einer vorsichtigen Abstraktion vom Detailreichtum über die Farben und einer aus ihnen entwickelten Bildtektonik eine eigene Naturwahrheit zu etablieren, gehört auch für Rosenboom zu den Kompetenzen der Malerei, denen er sein Werk verschrieben hat. Es bedeutet, dass der Maler über ein gewissenhaftes Studium der Natur immer weiter veranlasst wird, aus der Fülle der Anschauungsdaten zu selektieren und ihre Beziehungen in ein konstruktives Geflecht und eine farbige Logik zu überführen, um in der Vielfalt die Regel, im Zufälligen das Gesetz zu erkennen.
Spannungen, wie sie das natürliche Licht in der Natur erzeugt, mit den Mitteln der Malerei zu überdehnen ist Rosenbooms Angelegenheit nicht. Seine Malerei wächst in kontrolliertem farbigem Aufbau, dessen Rückbezüge auf die Natur nie ganz preisgegeben werden, zu subtilen Konstellationen farbiger Felder, unter denen das nuancenreiche Blau auffällig dominiert. «Je tiefer das Blau wird», so einst Wassily Kandinsky, «desto mehr ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schließlich Übersinnlichem. Es ist die Farbe des Himmels.»6
Rosenboom gibt dem Blau einen weiten Raum, als beständig schwebende Tiefe, vor der wie Leuchtspuren komplementärfarbige Akzente auftauchen, zuweilen begleitet von einem gedämpften und vermittelnden Grün oder Farben der Erde. Die Genauigkeit in der Ausbalancierung der farbigen Gewichte ist ein Teil seiner malerischen Routine geworden, und den Werken mit dominantem Blau stehen Arbeiten in warmem Ocker oder Rot gegenüber, in denen die Sinne zu höchster Aktivität aufgefordert werden, während jede Zutat von Blau, die ein Rot ins Violett und ein Gelb zum Grün verfärbt, etwas Beruhigendes, einen Ausgleich der Spannungen schafft.
Blau verkörpert Transparenz, sie ist bei Rosenboom der lichte schwebende Grundton, auf dem seine italienischen Impressionen aufgebaut sind, oftmals als Vorder- und als Hintergrund, dann auch als Farbe des Schattens oder der Nacht. In diese kühle Transparenz sind Lichtflecken eingestreut, als komplementäre Akzente auf einer Architektur, deren Farbigkeit immer in Einklang mit der Landschaft steht. Die Formen kommunizieren hier in ihren Licht- und Schattentönen miteinander, sie führen auf engem Raum ihre Dialoge, die dem Landschaftserlebnis entnommen sind. Und je gedämpfter das Licht in solchen Straßenzügen oder Häuserwinkeln erscheint, desto weicher und leiser wird das Klangbild, das die Reflexe des Lichts ordnet und zusammenführt.
Rosenbooms Beobachtungsgabe hat an solchen Stadträumen oder Architekturverläufen eine derartige Feinheit entwickelt, dass es in seinem reichen OEuvre praktisch keine Wiederholungen der farbigen Rezeptur gibt, selbst wenn das Motiv dasselbe bleibt. Seine Malerei gewann in Jahrzehnten an Routine, an Zuverlässigkeit des farbigen Kalküls und an Selbstständigkeit des bildnerischen Ausdrucks.
Im Verlauf dieser Jahrzehnte hat Italien den Maler soweit absorbiert, dass auch seine deutschen Landschaften vielfach von mediterranem Licht durchdrungen erscheinen. Und wenn er an der oberen Weser oder an vertrauten Orten Norddeutschlands vor Motiven malt, so bleibt ihnen letztlich wenig Heimatliches, sie wirken farbig entrückt – wie unter einem italienischen Himmel, eingeladen zu einem Fest der Harmonien und Kontraste.
Johann Rosenboom ist ein Grenzgänger der europäischen Kulturen, die er erlebt, aus denen er Lehren für seine Malerei bezieht. Sie geben ihm Anstoß, werden aber kein Vorbild, das ihn verunsichern könnte. Seine eigentliche Heimat ist die Malerei, ein Land jenseits aller irdischen Horizonte, ein Kosmos außerhalb von Raum und Zeit, dem sich zu verpflichten seine Lebensentscheidung war. An der Antike hat er die zarten Valeurs ihrer Fresken und Mosaiken, an mittelalterlicher Glasmalerei die Orchestrierung komplementärer Kontraste entdeckt, an der Renaissance den Reichtum einer malerischen Sprache, welche damals bereits Künstler aus dem Norden faszinierte. Sein Gang durch die Epochen als Lernender hat ihn beschenkt – und ihm Sicherheit in der eigenen Malerei gegeben, die nicht stilprägend sein will, keine Schule gründen möchte, sondern als ein persönliches Zeugnis künstlerischer Erfahrung wie ein Edelstein auf der Bordüre der Kunstgeschichte erscheint.
Sein Wandern zwischen Ländern und Kulturen ist Rhythmus und Regel seines Lebens seit langer Zeit, und er steckt in seinem Werk unverkennbar. Das macht ihn und seine Arbeit so rar, um nicht zu sagen, so kostbar. Er geht seit Langem einen sehr eigenen Weg, erzählt von Erlebnissen und Dingen wie von Erinnerungen, die nur noch farbige Schleier sind. Manchmal sitzt er wie ein Zeichner der Romantik geduldig und ergeben in der Natur und skizziert aus dem reichen Repertoire vor seinen Augen. Manchmal ergreift er ein historisches Vorbild wie aus der italienischen Frührenaissance, um etwas Neues für seine eigene Arbeit zu finden. Oder er versenkt sich in irgendeinem exotischen Winkel dieser Welt in eine ganz andere farbige Kultur, um daraus mit einer Perle für die eigene Malerei wiederaufzutauchen. Die visuellen Erfahrungen werden im Verlauf ausgedehnter, intensiver Werkprozesse im Atelier verarbeitet, in Einzelbilder übersetzt, in Triptychen oder ganze Bildsequenzen, die allmählich – und das kann bedeuten: über Jahre – ausreifen, bevor sie ihre endgültige Form gefunden haben.
In jedem seiner Werke entdeckt man die reiche Sprache dieses Künstlers, die Behutsamkeit und Intensität des Einsatzes seiner malerischen Mittel, jener Mittel, die er niemandem abgeschaut hat, die Findungen oder Erfindungen sind, wie poetische Bilder im Reich der Sprache aus vertrauten Worten gebildet werden. In beidem wirkt, wie André Malraux es einmal nannte, eine «geheimnisvolle Resonanz».
Diese geheimnisvolle Resonanz, die den Charakter seiner Malerei mitbestimmt, erwächst bei ihm aus dem schwebenden Dialog zwischen Realität und Abstraktion als ein poetisches Zwischenreich, das die prosaische Wirklichkeit in farbige Klangbilder verwandeln kann, ohne ihren Ernst damit zu vernichten. Johann Rosenboom zeigt, ohne sich zu wiederholen, ohne zu ermüden, ohne die tiefe innere Verbindung zur Natur damit ebenso wenig preiszugeben wie die Beziehung zu den wichtigen künstlerischen Strömungen der Moderne, die anhaltende Macht der Verzauberung durch Malerei.