JOHANN
ROSENBOOM

Unterschrift

Griz­zana (3‑teilig), 2015. Öl auf Lein­wand, 100 x 150 cm

Ein Fest der
Harmonien und Kontraste

Zur Malerei Johann Rosenbooms

Von Bernd Küster

Als der Englän­der John Ruskin ein­mal die außergewöhn­liche Malerei seines Lands­man­nes William Turn­er bew­erten wollte, da fand er einen sehr bild­haften Ver­gle­ich: «Er kam und öffnete die Türen des Lichts.» Jahrzehnte später suchte der Fran­zose Georges Grappe das Werk des Impres­sion­is­ten Claude Mon­et zu würdi­gen und schloss seine Hom­mage mit eben diesem Bild. «Mir sind keine Worte bekan­nt, die sich bess­er eignen wür­den», erk­lärte er und präzisierte: «Das Licht ist allmächtig; es erhebt die For­men, es ver­lei­ht ihnen Leben und Schön­heit, es erneuert ihren Glanz, ändert ihr Ausse­hen, entstellt ihren Umriss; es ver­bre­it­et durch die ganze Welt seine atom­istis­chen Impon­der­abilien, die das Weltall mit ein­er immer erneuerten und nie ver­sagen­den Poe­sie schmücken.»

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Diese neue, von Turn­er ein­geleit­ete und von Mon­et ver­vol­lkomm­nete Analyse des Lichts wurde der Beginn ein­er neuen Zeitrech­nung in der Malerei, der Vor­griff auf die Mod­erne. So geblendet der Betra­chter damals von der neuar­ti­gen, schein­bar an der Natur vor­beise­hen­den Malerei war, für uns gehört es längst zu unser­er Wahrnehmung, Far­ben des Lichts zu empfind­en und die Koloraturen des Schat­tens zu erken­nen. Die im 19. Jahrhun­dert vol­l­zo­gene Neube­w­er­tung unser­er Sinne durch die wis­senschaftliche und kün­st­lerische Analyse des far­bigen Sehens gle­icht in sein­er Fol­gen­schwere der Ent­deck­ung der Lin­earper­spek­tive in der Frühre­nais­sance, die das räum­liche Wahrnehmen irre­versibel neu aus­richtete. 

Das Licht war für Impres­sion­is­ten wie Claude Mon­et die eigentliche Her­aus­forderung, um der Natur, dieser unab­d­ing­baren Lehrmeis­terin der schö­nen Kün­ste, der­art nahe zu kom­men, dass sie Geheimnisse ihrer Schöp­fun­gen preiszugeben schien. Besessen von dem Ehrgeiz, dem Son­nen­licht bis in die fein­sten Regun­gen zu fol­gen, arbeit­ete sich Mon­et fast um seinen Ver­stand, während in seinem Ate­lier große far­bige Andacht­sräume ent­standen, die seinen nicht enden­den Kniefall vor der Schöp­fung doku­men­tieren. Doch nicht allein seine Manie von der «Augen­blick­lichkeit» als Ziel ein­er Malerei, die mit der Natur authen­tisch Schritt hal­ten will, macht sein Werk epochal, son­dern es sind die kost­baren far­bigen Har­monien, die diesem Ehrgeiz entsprun­gen sind und die hohe malerische und poet­is­che Qual­ität des Impres­sion­is­mus bele­gen; denn «der Impres­sion­is­mus ist in seinen stärk­sten Werken, unter Augen und Hän­den sein­er größten Vertreter mehr als die bloße nervöse Auf­nahme ein­er von Licht und von der Luft umwit­terten Erschei­n­ung flüchtiger Art. Der Impres­sion­is­mus … hat auch wenig­stens in seinen Steigerun­gen, auf die das meiste ankommt, den Zauber ein­er Poesie.»

Wir dür­fen uns dem Werk Johann Rosen­booms nicht wie dem eines Impres­sion­is­ten näh­ern, deren große Zeit mit der Vita Claude Mon­ets zu Ende ging. Doch der kün­st­lerische Ertrag dieser in höch­stem Maße feinsin­ni­gen Beschrei­bun­gen natür­lich­er Phänomene steckt tief in seinem Werk und zeigt eine verbliebene tra­gende Verbindung zu jen­er Epoche, die aus dem Malen unter freiem Him­mel ein bedeu­ten­des und nach­haltiges malerisches Ver­fahren entwick­elte. Das Plein-Air war mehr als Stu­di­en­mit­tel, es bildete die Grund­lage für eine stets ver­fein­erte Analyse des Lichts, die sich par­al­lel zu den Natur­wis­senschaften als malerische Prax­is etablierte und die pulsieren­den Dialoge zwis­chen Licht und Schat­ten zum The­ma nahm. Daraus kon­nten bish­er unbekan­nte far­bige Klänge gewon­nen wer­den, die die Natur in großar­tige malerische Sym­phonien ver­wan­delt zeigten. «Ist dies nicht wun­der­bar?», fragt Wil­helm Hausen­stein. «Ist dies nicht die Schön­heit ein­er Poe­sie? Und freilich wäre der Impres­sion­is­mus die große Kun­st nicht, die er ist, wenn er nicht ein poet­is­ches Ele­ment enthielte, ein Ele­ment von Wunder.»

Dass diese Art far­bige Verza­uberung der Welt, ihre Zer­stäubung in Farb­par­tikel nicht die ulti­ma ratio war, um der leben­den Natur und ihren wech­selvollen Phänome­nen malerisch gerecht zu wer­den, zeigen die nach­fol­gen­den Entwick­lun­gen zur reinen Farbe und zu neuen Formen.

War für Vin­cent van Gogh der Fran­zose Eugène Delacroix das große Vor­bild für die Möglichkeit, «die reine Form mit der Farbe zu ver­heirat­en», so geht es dem Hol­län­der im eige­nen Werk weniger um Musikalität und Har­monien solch­er Verbindun­gen als vielmehr darum, der Schick­sals­macht der Dinge des ein­fachen Daseins einen ungeah­n­ten malerischen Aus­druck zu geben. Seine beispiel­lose Verbindung von Human­ität und Far­bge­walt führte später der deutsche Expres­sion­is­mus pro­gram­ma­tisch fort, das expres­sive Werk ver­lor jede Vorstel­lung von Flüchtigkeit, es ent­stand als strenger For­menkanon in einem fest­ge­fügten Gerüst von Lin­ien, unter zusät­zlich­er Aus­lo­tung max­i­maler Span­nun­gen zwis­chen den Far­ben. Solche Überdehnung der Kon­traste, wie sie van Gogh in die Malereigeschichte brachte, leit­ete die zweite Etappe der Mod­erne ein, deren Erfahrung Rosen­booms Entwick­lung eben­so prägte wie das Plein-Air, das er früh zu sein­er Meth­ode gemacht hat.

Mit den Ken­nt­nis­sen der Mod­erne zieht er seit Jahrzehn­ten mutig ins Feld, auf der Suche nach ein­er eige­nen Sprache der Malerei, welche die Erfahrun­gen sein­er großen Vor­läufer verin­ner­licht und ihnen eine eigene Note hinzuzufü­gen sucht. Der Weg hat ihn nicht an ein Ziel, aber in eine Selb­st­ständigkeit geführt, die aus­re­icht, um daraus ein lebenslanges kün­st­lerisches Pro­gramm zu entwick­eln, das sich kein­er Mode, keinem Stil unterord­net und keines­falls die kün­st­lerische Absicht höher wertet als das Werk selb­st. Es gibt eine zweifache Demut, die ihn an die Malerei bindet: Vor den Tra­di­tio­nen der abendländis­chen Kun­st­geschichte, den Werken eines Giot­to, Tiz­ian oder Masac­cio befällt ihn jen­er Respekt, der es ver­bi­etet, sich auch nur in ihrer Nähe zu verorten. Und es beste­ht eine tiefe Demut vor der Natur, vor jenen land­schaftlichen Räu­men, in die hinein ihn sein Suchen führte und denen er seine wichtig­sten malerischen Inspi­ra­tio­nen ver­dankt, allen voran Norditalien.

Im ital­ienis­chen Apen­nin, unweit von Bologna, liegt auf den Hügeln über dem Tal des Reno, das Goethe einst durch­querte, ein altes stein­ernes Stall­ge­bäude, so in den bewach­se­nen Hang einge­bet­tet, dass man es erst wahrn­immt, sobald man aus dem Tal die ver­schlun­genen Wege hin­aufge­fun­den hat. Daraus ist Rosen­booms Ate­lier­haus ent­standen, mehrfach erweit­ert, saniert, mit ein­er großzügi­gen Werk­statt für den Malar­beit­er. Jen­seits des ansteigen­den Höhen­zuges liegt der kleine Ort Griz­zana, dem der Maler Gior­gio Moran­di zur Berühmtheit ver­half. Sein Haus, alles andere als ein Kün­stler­sitz, ist eben­so unspek­takulär, wie sein Werk auf den ersten Blick erscheinen mag. Und doch sind seine kle­in­for­mati­gen Erzäh­lun­gen vom Dasein der ein­fach­sten Dinge malerische Großereignisse, die auch Rosen­boom Anstoß gaben, seine aus der Land­schafts­malerei gewonnenen Erfahrun­gen aufs Interieur oder Stil­lleben zu übertragen.

In bei­dem gestal­tet Licht den Raum, und die vorhan­de­nen Gegen­stände wer­den durch Über­malun­gen soweit ins Abstrak­te hineinge­führt, dass sie oft­mals nichts als gedämpfte Reflex­io­nen auf der Ober­fläche eines Tis­ches darstellen, der eben­falls nur aus Licht beste­ht. Die Trans­parenz sein­er Interieurs und Stil­lleben erwächst aus zurück­hal­tenden far­bigen Akko­r­den, in denen die Gegen­stände nur noch Andeu­tun­gen sind, far­bige Schleier, ent­ma­te­ri­al­isiert, aber von höch­ster malerisch­er Präsenz. Man glaubt die leis­es­ten Töne ein­er verklin­gen­den Sym­phonie zu vernehmen, deren Span­nun­gen auf das ger­ing­ste Maß zurück­gestuft wer­den und den­noch zu wun­der­baren Har­monien zusam­menwach­sen kön­nen. Solche klangvollen Etü­den der Stil­llebenkun­st Rosen­booms sind im musikalis­chen Sinne durchkom­poniert, sie entste­hen oft­mals ohne Anschau­ung der gezeigten Gegen­stände in einem ruhi­gen malerischen Dia­log, in welchem die Objek­te, die als Flächen gegeneinan­derge­set­zt wer­den und deren Zwis­chen­räume eben­so bedeut­sam sind wie die Kör­p­er selb­st, etwas Tran­szen­dentes, Meta­ph­ysis­ches annehmen. Nicht um die Dinge zu entwerten, um die Macht der Wirk­lichkeit zu brechen, son­dern um diese Wirk­lichkeit malerisch immer wieder neu zu befra­gen: nach dem Wesen von Farbe und Form.

Was ist ihm dieses Ital­ien, dem er einen Großteil seines Lebens ver­schrieb, das ihm zur Wahlheimat wurde und zu einem unver­sieg­baren Fun­dus für seine Kun­st? Es bet­rifft in erster Lin­ie die Land­schaft, den Sehn­sucht­sraum deutsch­er Kün­stler seit mehr als 200 Jahren. Topografie, Veg­e­ta­tion und das alles zusam­men­bindende, farbin­ten­sive Licht machen jeden noch so gerin­gen Auss­chnitt zum Abdruck eines Ideals, ein­er aus deutsch­er Sicht einzi­gar­ti­gen Ver­schmelzung von Natur­raum, Geschichte und Kul­tur. Sie beflügelte einst die Aus­bil­dung ein­er neuzeitlichen Land­schafts­malerei, deren Tra­di­tio­nen auch Rosen­boom fol­gt, wenn er von Kas­sel aus gen Süden reist, um unter ital­ienis­chem Him­mel zu arbeit­en. Die feinsin­nig­sten Kor­re­spon­den­zen, die seit der Roman­tik in der Umset­zung der lichtvollen Räume und far­bigen Beson­der­heit­en Ital­iens speziell die deutsche Malerei inspiri­ert haben, sie sind immer noch Bestandteil eines großen Augen­er­leb­niss­es, dem ein Maler auch heute fol­gen kann, da es wed­er unzeit­gemäß noch kün­st­lerisch ver­braucht ist.

Johann Rosen­boom weiß um die große Ver­gan­gen­heit des Lan­des und der Region, in welch­er er sein Ate­lier ein­gerichtet hat, vor dessen Fen­stern die schön­sten Aus­blicke in die Höhen­züge jen­seits des Reno liegen. Er braucht sie nicht als Motive, viel eher als einen natür­lichen Res­o­nanzraum für die Gemälde, die im Innern seines Ate­liers und in oft­mals aus­gedehn­tem malerischem Vor­trag entste­hen. Den aus der Geschichte der Land­schafts­malerei bezo­ge­nen Dia­log zwis­chen Studie und aus­ge­führtem Werk führt er als Meth­ode weit­er, um eine Natur­vor­lage im Prozess der Über­malun­gen so weit in den Hin­ter­grund zu bewe­gen, dass davor eine Kom­po­si­tion rein­er Malerei entste­hen kann. Das Ver­fahren des Plein-Air, dessen Siegeszug von Ital­ien aus über Frankre­ich ab Mitte des 19. Jahrhun­derts auch in der deutschen Kun­st Fuß fasste und zu einem soli­den Pfad in die Mod­erne wurde, sie ist für das Skizzieren unumgänglich; das darauf aufge­baute Werk bedarf der direk­ten Anschau­ung nicht mehr, weil alle notwendi­gen Rela­tio­nen in dem Far­bgerüst ein­er Studie enthal­ten sind. Über die präzise Vorar­beit vor dem Motiv und das geschulte Gedächt­nis wird das Wahrnehmungs­bild in ein kom­pak­tes far­biges Sys­tem über­tra­gen. Topografis­che Details, anfangs vielle­icht Anstoß zu einem Werk, treten im Ver­lauf der malerischen Über­set­zung immer weit­er in den Hin­ter­grund, aus Land­schaft­sräu­men wer­den Farbfelder in ein­er eige­nen, nur auf dieses einzelne Werk bezo­ge­nen Logik, die zugle­ich in der Lage ist, die Atmo­sphäre eines Seherleb­niss­es voll­ständig und präzise wiederzugeben.

Cézannes Über­win­dung des Impres­sion­is­mus durch eine neue Bil­dar­chitek­tur, die sich stets den Far­bigkeit­en unterord­net, ste­ht am Anfang der Mod­erne. Es zeigt sein Bemühen, «der kon­stru­ierten Bild­fläche die ganze Unmit­tel­barkeit und Indi­vid­u­al­ität eines Naturein­druck­es, ein­er Impres­sion zu verschaffen.»4 Seine kon­se­quente Verselb­st­ständi­gung der Bild­mit­tel zugun­sten ein­er reinen Malerei wurde gewis­ser­maßen das Fun­da­ment, auf dem sich die bildende Kun­st der Mod­erne als autonome Aus­drucks­form erheben kon­nte, um durch die Sphären der gegen­ständlichen und der nicht­ge­gen­ständlichen Malerei bis in die Gegen­wart zu führen. Die entschei­dende Leis­tung Cézannes war die Beruhi­gung der impres­sion­is­tis­chen Ner­vosität, die malerische Aus­ge­wogen­heit zwis­chen der reinen Impres­sion und ein­er for­malen Kon­struk­tion, um das Flüchtige des Sehein­drucks in der bemal­ten Fläche zu sta­bil­isieren. «Seine Malerei ist auf wun­der­bare Art der Augen­blick des Gle­ichgewichts zwis­chen den bei­den Enden: dem impres­sion­is­tis­chen hier, dem kon­struk­tiv­en dort.»5 Cézannes Anspruch war um nichts weniger als uni­versell: die so gewonnene malerische Wirk­lichkeit ste­ht neben der natür­lichen als «große Har­monie», die sich im Werk eines einzel­nen Kün­stlers oder ein­er ganzen Epoche beständig erneuert, ver­fein­ert – und steigert. So ver­mit­telt Malerei – nicht anders als Musik oder Lit­er­atur – eine eigene Wahrheit, aber eben nicht über Ver­standes­be­griffe, son­dern in einem Akt von Sinnlichkeit und Intuition.

Die Meth­ode, in ein­er vor­sichti­gen Abstrak­tion vom Detail­re­ich­tum über die Far­ben und ein­er aus ihnen entwick­el­ten Bildtek­tonik eine eigene Natur­wahrheit zu etablieren, gehört auch für Rosen­boom zu den Kom­pe­ten­zen der Malerei, denen er sein Werk ver­schrieben hat. Es bedeutet, dass der Maler über ein gewis­senhaftes Studi­um der Natur immer weit­er ver­an­lasst wird, aus der Fülle der Anschau­ungs­dat­en zu selek­tieren und ihre Beziehun­gen in ein kon­struk­tives Geflecht und eine far­bige Logik zu über­führen, um in der Vielfalt die Regel, im Zufäl­li­gen das Gesetz zu erkennen.

Span­nun­gen, wie sie das natür­liche Licht in der Natur erzeugt, mit den Mit­teln der Malerei zu überdehnen ist Rosen­booms Angele­gen­heit nicht. Seine Malerei wächst in kon­trol­liertem far­bigem Auf­bau, dessen Rück­bezüge auf die Natur nie ganz preis­gegeben wer­den, zu sub­tilen Kon­stel­la­tio­nen far­biger Felder, unter denen das nuan­cen­re­iche Blau auf­fäl­lig dominiert. «Je tiefer das Blau wird», so einst Wass­i­ly Kandin­sky, «desto mehr ruft es den Men­schen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehn­sucht nach Reinem und schließlich Übersinnlichem. Es ist die Farbe des Himmels.»6

Rosen­boom gibt dem Blau einen weit­en Raum, als beständig schwebende Tiefe, vor der wie Leucht­spuren kom­ple­men­tär­far­bige Akzente auf­tauchen, zuweilen begleit­et von einem gedämpften und ver­mit­tel­nden Grün oder Far­ben der Erde. Die Genauigkeit in der Aus­bal­ancierung der far­bigen Gewichte ist ein Teil sein­er malerischen Rou­tine gewor­den, und den Werken mit dom­i­nan­tem Blau ste­hen Arbeit­en in warmem Ock­er oder Rot gegenüber, in denen die Sinne zu höch­ster Aktiv­ität aufge­fordert wer­den, während jede Zutat von Blau, die ein Rot ins Vio­lett und ein Gelb zum Grün ver­färbt, etwas Beruhi­gen­des, einen Aus­gle­ich der Span­nun­gen schafft.

Blau verkör­pert Trans­parenz, sie ist bei Rosen­boom der lichte schwebende Grund­ton, auf dem seine ital­ienis­chen Impres­sio­nen aufge­baut sind, oft­mals als Vorder- und als Hin­ter­grund, dann auch als Farbe des Schat­tens oder der Nacht. In diese küh­le Trans­parenz sind Licht­fleck­en eingestreut, als kom­ple­men­täre Akzente auf ein­er Architek­tur, deren Far­bigkeit immer in Ein­klang mit der Land­schaft ste­ht. Die For­men kom­mu­nizieren hier in ihren Licht- und Schat­ten­tö­nen miteinan­der, sie führen auf engem Raum ihre Dialoge, die dem Land­schaft­ser­leb­nis ent­nom­men sind. Und je gedämpfter das Licht in solchen Straßen­zü­gen oder Häuser­winkeln erscheint, desto weich­er und leis­er wird das Klang­bild, das die Reflexe des Lichts ord­net und zusammenführt.

Rosen­booms Beobach­tungs­gabe hat an solchen Stadträu­men oder Architek­turver­läufen eine der­ar­tige Fein­heit entwick­elt, dass es in seinem reichen OEu­vre prak­tisch keine Wieder­hol­un­gen der far­bigen Rezep­tur gibt, selb­st wenn das Motiv das­selbe bleibt. Seine Malerei gewann in Jahrzehn­ten an Rou­tine, an Zuver­läs­sigkeit des far­bigen Kalküls und an Selb­st­ständigkeit des bild­ner­ischen Ausdrucks.

Im Ver­lauf dieser Jahrzehnte hat Ital­ien den Maler soweit absorbiert, dass auch seine deutschen Land­schaften vielfach von mediter­ranem Licht durch­drun­gen erscheinen. Und wenn er an der oberen Weser oder an ver­traut­en Orten Nord­deutsch­lands vor Motiv­en malt, so bleibt ihnen let­ztlich wenig Heimatlich­es, sie wirken far­big entrückt – wie unter einem ital­ienis­chen Him­mel, ein­ge­laden zu einem Fest der Har­monien und Kontraste.

Johann Rosen­boom ist ein Gren­zgänger der europäis­chen Kul­turen, die er erlebt, aus denen er Lehren für seine Malerei bezieht. Sie geben ihm Anstoß, wer­den aber kein Vor­bild, das ihn verun­sich­ern kön­nte. Seine eigentliche Heimat ist die Malerei, ein Land jen­seits aller irdis­chen Hor­i­zonte, ein Kos­mos außer­halb von Raum und Zeit, dem sich zu verpflicht­en seine Lebensentschei­dung war. An der Antike hat er die zarten Valeurs ihrer Fresken und Mosaiken, an mit­te­lal­ter­lich­er Glas­malerei die Orchestrierung kom­ple­men­tär­er Kon­traste ent­deckt, an der Renais­sance den Reich­tum ein­er malerischen Sprache, welche damals bere­its Kün­stler aus dem Nor­den faszinierte. Sein Gang durch die Epochen als Ler­nen­der hat ihn beschenkt – und ihm Sicher­heit in der eige­nen Malerei gegeben, die nicht stil­prä­gend sein will, keine Schule grün­den möchte, son­dern als ein per­sön­lich­es Zeug­nis kün­st­lerisch­er Erfahrung wie ein Edel­stein auf der Bor­düre der Kun­st­geschichte erscheint.

Sein Wan­dern zwis­chen Län­dern und Kul­turen ist Rhyth­mus und Regel seines Lebens seit langer Zeit, und er steckt in seinem Werk unverkennbar. Das macht ihn und seine Arbeit so rar, um nicht zu sagen, so kost­bar. Er geht seit Langem einen sehr eige­nen Weg, erzählt von Erleb­nis­sen und Din­gen wie von Erin­nerun­gen, die nur noch far­bige Schleier sind. Manch­mal sitzt er wie ein Zeich­n­er der Roman­tik geduldig und ergeben in der Natur und skizziert aus dem reichen Reper­toire vor seinen Augen. Manch­mal ergreift er ein his­torisches Vor­bild wie aus der ital­ienis­chen Frühre­nais­sance, um etwas Neues für seine eigene Arbeit zu find­en. Oder er versenkt sich in irgen­deinem exo­tis­chen Winkel dieser Welt in eine ganz andere far­bige Kul­tur, um daraus mit ein­er Per­le für die eigene Malerei wieder­aufzu­tauchen. Die visuellen Erfahrun­gen wer­den im Ver­lauf aus­gedehn­ter, inten­siv­er Werkprozesse im Ate­lier ver­ar­beit­et, in Einzel­bilder über­set­zt, in Trip­ty­chen oder ganze Bild­se­quen­zen, die allmäh­lich – und das kann bedeuten: über Jahre – aus­reifen, bevor sie ihre endgültige Form gefun­den haben.

In jedem sein­er Werke ent­deckt man die reiche Sprache dieses Kün­stlers, die Behut­samkeit und Inten­sität des Ein­satzes sein­er malerischen Mit­tel, jen­er Mit­tel, die er nie­man­dem abgeschaut hat, die Find­un­gen oder Erfind­un­gen sind, wie poet­is­che Bilder im Reich der Sprache aus ver­traut­en Worten gebildet wer­den. In bei­dem wirkt, wie André Mal­raux es ein­mal nan­nte, eine «geheimnisvolle Resonanz».

Diese geheimnisvolle Res­o­nanz, die den Charak­ter sein­er Malerei mitbes­timmt, erwächst bei ihm aus dem schweben­den Dia­log zwis­chen Real­ität und Abstrak­tion als ein poet­is­ches Zwis­chen­re­ich, das die pro­sais­che Wirk­lichkeit in far­bige Klang­bilder ver­wan­deln kann, ohne ihren Ernst damit zu ver­nicht­en. Johann Rosen­boom zeigt, ohne sich zu wieder­holen, ohne zu ermü­den, ohne die tiefe innere Verbindung zur Natur damit eben­so wenig preiszugeben wie die Beziehung zu den wichti­gen kün­st­lerischen Strö­mungen der Mod­erne, die anhal­tende Macht der Verza­uberung durch Malerei.