Das nationalsozialistische Deutschland reagierte schnell: Sofort übernahmen deutsche Truppen die Kontrolle in Nord- und Mittelitalien, entwaffneten die italienischen Soldaten und setzten etwa 600.000 bis 650.000 Mann gefangen, die sie als Zwangsarbeiter bzw. Militärinternierte nach Deutschland verbrachten. Der Status als Kriegsgefangene und damit ein wenigstens relativer Schutz durch die Genfer Konvention und das Internationale Rote Kreuz wurde ihnen verweigert. Vor diesem Hintergrund erklärt und legitimiert sich die Entstehung der Resistenza, der Widerstandsbewegung der Partisanen gegen die deutsche Besatzung und gegen die mit ihr kollaborierende faschistische Republik von Salò, die am 15.9.1943 im Bereich der deutschen Besatzung mit Mussolini an der Spitze gegründet wurde. Insofern trägt der Partisanenkrieg einen Doppelcharakter: Er ist sowohl nationaler Befreiungskrieg als auch inneritalienischer Bürgerkrieg.
Die Brutalität und Rücksichtslosigkeit der deutschen Besatzung bzw. Kriegsführung illustrieren Befehle des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW). So der vom 12.9.1943: «Auf Befehl des Führers ist mit italienischen Truppenteilen, die ihre Waffen in die Hände von Aufständischen haben fallen lassen oder überhaupt mit Aufständischen gemeinsame Sache gemacht haben, nach der Gefangennahme wie folgt zu verfahren: 1. Die Offiziere sind standrechtlich zu erschießen. 2. Uffz. (Unteroffiziere, K.B.) und Mannschaften sind unmittelbar, unter möglichster Umgehung des Transportweges durch das Reich nach dem Osten (…) zum Arbeitseinsatz zu verbringen.»
Sechs Tage später, am 18.9.1943, ordnet das OKW an: «Bei der Durchführung der befohlenen Rückzugsbewegungen in Italien ist (…) im größten Maße von Zerstörungen aller Art Gebrauch zu machen. (…) In erster Linie sind alle Einrichtungen der Energiewirtschaft (…) daneben die Werke der Eisen- und Metallgewinnung (…) sowie die Industriebetriebe für Kriegsgerätefertigung zu vernichten. Die Zerstörung ist in jedem Fall dann vorzunehmen, wenn es nicht möglich ist, wertvolle Maschinen, Fabrikate und Rohstoffe zurückzuführen. (…) Es muss angestrebt werden, die wehrfähige Bevölkerung in das Gebiet der Heeresgruppe B (Oberitalien, K.B.) abzutransportieren. Hierzu sind alle Transportmittel, im Notfall auch Fußmarsch auszunutzen. (…) Es muss erwartet werden, dass die verantwortlichen Befehlshaber aller Grade ohne jede Schonung und Rücksicht die Räumung und Zerstörung mit größter Energie durchführen, eingedenk des beispiellosen Verrates und der Opfer an deutschen Soldaten, die uns dieser Verrat kostet. Die Schädigung des Feindes muss daher über aller menschlichen Rücksicht stehen (…)»
Carlo Gentile schätzt, dass etwa «10.000 Zivilisten (…) bei Massakern in Dörfern, bei Geiselerschießungen und anderen Tötungshandlungen überwiegend durch die Hand deutscher Soldaten getötet» wurden. Mindestens 70.000 bis 80.000 Menschen sind im Partisanenkrieg in Italien zu Tode gekommen.
Besonders wüteten Waffen-SS und Wehrmacht in den Dörfern und Weilern am Monte Sole, nahe der südlich von Bologna gelegenen Kleinstadt Marzabotto. Im Frühjahr 1944 wird dort eine Partisanengruppe aufgebaut, die Brigade «Stella Rossa». Ihr Kommandant ist der 30-jährige Mario Musolesi, ein ehemaliger Unteroffizier der italienischen Armee, genannt «Lupo» (Wolf). Ende September 1944 sind die Alliierten auf ihrem Vormarsch bis auf wenige Kilometer an den Monte Sole und die naheliegenden Gemeinden Marzabotto, Grizzana und Monzuno herangekommen. Um der bei einem alliierten Durchbruch drohenden Verbindung mit den Partisanen zuvorzukommen, befiehlt der Kommandeur der 16. SS-Panzergrenadierdivision «Reichsführer-SS Generalleutnant Max Simon die Vernichtung der Brigade. Mit der Durchführung des Unternehmens wird der Major der Waffen- SS Walter Reder betraut. Am 29. September 1944 greift ein gemischter Verband aus Waffen-SS und Wehrmachtseinheiten an, unterstützt von ortskundigen italienischen Faschisten.
Noch am selben Tag werden die Partisanen besiegt. Einige können vor der Übermacht der deutschen Truppen fliehen. Damit war die Aktion von Wehrmacht und Waffen-SS aber nicht zu Ende.» Unter Einbeziehung von Zeitzeugenerinnerungen6 schildert Friedrich Andrae die Ereignisse im Dorf Casaglia, wo die ersten deutschen Soldaten am 29. September gegen 9 Uhr ankommen: «Aus den kleinen Weilern im Kampfgebiet am Monte Sole, aus San Martino und Sperticano fliehen Frauen, Kinder und alte Leute nach Casaglia; in der Kirche dort wähnen sie sich in Sicherheit. Wie andernorts Kirchen keinen Schutz vor den Deutschen geboten haben, so ist auch die Kirche St. Maria Assunta in Casaglia jetzt kein Ort des Friedens. Die hereinstürmenden Deutschen erschießen zuerst den Pfarrer Don Ubaldo Marchioni, der sich ihnen ohne Waffen in den Weg stellt, dann treiben sie die übrigen hinaus auf den Friedhof, eine gelähmte Frau wird drinnen in ihrem Rollstuhl umgebracht. Zwischen den Gräbern und an der Friedhofsmauer zusammengetrieben, werden 147 Personen aus 28 Familien, darunter 50 Kinder, mit Maschinenkarabinern und Handgranaten niedergemetzelt. Das Massaker überleben nur wenige, etwa die fünfzehnjährige schwerverletzte Lidia Pironi, geschützt durch die über sie gestürzten Toten. Die achtzehnjährige Elena Ruggeri kann entkommen und sich in den Wald retten, von wo sie das grausige Geschehen mitansieht. Beide sind Tatzeugen wie auch Adelmo Bennini, der, auf der Flucht vom Monte Sole, aus geringer Entfernung zusehen muss, ohne eingreifen zu können, wie seine Familie hingeschlachtet wird.»
Am Abend des 29. September liegen 550 Menschen erschossen in den brennenden Weilern und Gehöften am Monte Sole. Am 30. September wird das Tötungsunternehmen fortgesetzt, mit über 100 weiteren Opfern. Tags darauf wird die SS-Einheit abgezogen, sie wird dringend an der Front gebraucht. Das Morden hört aber nicht auf, bis zum 5.10. werden noch über 100 weitere Personen getötet.
Die historische Forschung geht, gestützt nicht nur auf offizielle Wehrmachtsquellen, sondern auch auf Berichte Überlebender und auf Aussagen einzelner Wehrmachts- und Waffen-SS-Angehöriger, seit gut 20 Jahren davon aus, dass das Massaker am Monte Sole etwa 770 italienische Opfer forderte, darunter 216 Kinder, 142 über Sechzigjährige und 316 Frauen, auch fünf Priester waren unter den Toten. Circa 20 Partisanen, darunter auch Mario Musolesi, wurden getötet, sieben deutsche Soldaten der Waffen-SS kamen ums Leben.
Carlo Gentile resümiert: «Es war die höchste Zahl an Opfern, die jemals im besetzten Italien bei einem derartigen Unternehmen festgestellt worden ist und einer der größten Mordexzesse im besetzten Westeuropa überhaupt». Im Kontext des Zweiten Weltkrieges können diese Mordtaten und Zerstörungen als Ergebnis einer Barbarisierung der Kriegsführung verstanden werden, wie sie 1941 mit dem Eroberungs- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion begann und von der Wehrmachtsführung auf den Partisanenkrieg in Griechenland, Jugoslawien und schließlich Italien übertragen wurde.
Wegen ihrer Verantwortung für die in Italien begangenen Kriegsverbrechen verurteilten britische Militärgerichte im Jahr 1947 Generalfeldmarschall Albert Kesselring, den Oberbefehlshaber der Wehrmacht in Italien, und Generalleutnant Max Simon, den Kommandeur der für das Massaker am Monte Sole hauptverantwortlichen. SS-Panzergrenadierdivision, zum Tode. Beide wurden bald begnadigt und aus der Haft entlassen: Kesselring im Juli 1952, Simon zwei Jahre später.
Der für die Ausführung des Massakers am Monte Sole zuständige SS-Major Walter Reder wurde 1951 von einem italienischen Militärgericht mit lebenslanger Haft bestraft und 1985 aus dem Militärgefängnis entlassen. Nach der Verurteilung Reders erlahmte in Italien im Zuge des Kalten Krieges das Interesse an der Aufklärung und strafrechtlichen Verfolgung nationalsozialistischer und faschistischer Kriegsverbrechen, und in der Bundesrepublik prägte in den 50er und 60er Jahren der «große Frieden mit den Tätern» das gesellschaftliche und politische Klima.
Diese Ignoranz gegenüber den deutschen Kriegsverbrechen in Italien scheint erst in den 1990er Jahren von einer verantwortungsvolleren Haltung zurückgedrängt worden zu sein, als die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen deutscher Historiker wie Gerhard Schreiber, Lutz Klinkhammer und Friedrich Andrae nicht mehr übergangen werden konnten und die in vielen Städten gezeigte Ausstellung zu den Verbrechen der Wehrmacht im Osten für Aufsehen sorgte. Auch die engagierte, auf intensive Recherchen gestützte Berichterstattung von Christiane Kohl zu dieser Thematik ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen und die 1992 geschlossene Partnerschaft zwischen der Region Emilia-Romagna und dem Land Hessen. Sie bildete die Grundlage für die Beteiligung Hessens an der von der Gemeinde Marzabotto ins Leben gerufenen Stiftung Friedensschule Monte Sole, die seit 2003 neben der historischen Aufklärung über das Massaker von 1944 in der Friedenserziehung junger Menschen einen Schwerpunkt ihrer Arbeit sieht.
Ausdruck des veränderten Umgangs mit den deutschen Kriegsverbrechen in Italien war auch die Entscheidung des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau, bei seinem Staatsbesuch in Italien am 17. April 2002 zusammen mit dem damaligen italienischen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi als erstes deutsches Staatsoberhaupt Monte Sole zu besuchen. Rau sagte in seiner Ansprache an der Ruine der Kirche von Casaglia: «Es ist schwer, an diesem Ort und vor Ihnen Worte zu finden, die dem Ungeheuren gerecht werden, das mit Worten kaum zu fassen ist. Ich denke an die Kinder und Mütter, an die Frauen und an die ganzen Familien, die an diesem Tag Opfer des Mordens geworden sind, und es ergreifen mich Trauer und Scham. Ich verneige mich vor den Toten.» Er betonte, dass persönliche Schuld zwar nur die Täter trügen, sich die kommenden Generationen aber mit den Folgen dieser Schuld auseinandersetzen müssten.
2008 vereinbarten Italien und Deutschland, eine deutsch-italienische Historikerkommission einzusetzen, die die deutsche Besatzung untersuchen sollte. 2012 wurde der sehr instruktive Bericht vorgelegt. Als ein Ergebnis der Arbeit dieser Kommission ist im Jahr 2016 in dem Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Berlin-Schöneweide als Ort der Erinnerung eine Dauerausstellung mit einem sehr informativen Katalog eröffnet worden, die das Schicksal der italienischen Militärinternierten würdigt. Auch wurde ein deutsch-italienischer Zukunftsfonds zur Finanzierung von Erinnerungsprojekten eingerichtet.
Strafrechtliche Ermittlungen wegen des Massakers von Monte Sole wurden in dieser Zeit sowohl in Italien als auch in Deutschland aufgenommen. Die Staatsanwaltschaft München stellte ein 2002 eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Mordes gegen einen SS-Angehörigen im Jahr 2006 ein. Es gebe keinen hinreichenden Tatverdacht. Ein italienisches Militärgericht verurteilte ein Jahr später zwar zehn ehemalige Angehörige der 16. SS-Panzergrenadierdivision wegen der Morde in Monte Sole in Abwesenheit zu lebenslanger Haft. Die Verurteilten brauchten diese Strafen aber nicht zu verbüßen, sie lebten in Deutschland und wurden als deutsche Staatsbürger nicht an Italien ausgeliefert.
So kann das Massaker von Monte Sole auch als Bestandteil der durchaus ambivalenten Beziehung zwischen Deutschland und Italien verstanden werden. Denn neben der Tradition der Bewunderung und Idealisierung Italiens gab und gibt es auch eine Tradition antiitalienischer Vorurteile, Klischees und Ressentiments. Diese waren – je nach Kontext – mal stärker, mal schwächer, mal ganz massiv und offen: so 1943–45 in der Rede von den italienischen Verrätern, den «Badoglios» – oft mit dem Zusatz eines schimpfwörtlich gebrauchten Tiernamens – oder eher untergründig, aber doch weit verbreitet in beleidigenden Bezeichnungen der italienischen «Gastarbeiter»
Sicherlich hat es diesbezüglich im Prozess der europäischen Integration positive Veränderungen gegeben, auch durch Initiativen wie die Unterstützung der Friedensschule Monte Sole durch das Land Hessen.
Im Zuge der Banken- und Eurokrise seit 2008 war aber ein Wiederaufleben alter Gespenster bzw. Stereotypen von den Ländern Südeuropas zu registrieren, vor allem auf Griechenland bezogen, aber auch auf Italien, wo die deutsche Politik gegenüber diesen Ländern oft wenig Empathie bewies, was wiederum dort zu einer Reaktivierung traditioneller Vorurteile gegenüber den Deutschen führte.
Zwei politische Gesten machen diesbezüglich ein wenig Hoffnung auf mehr Empathie und Respekt in den deutsch-italienischen Beziehungen: im September 2018 der Besuch von Außenminister Heiko Maas in Marzabotto am Jahrestag des Massakers und am 25. August 2019 der Besuch des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier – zusammen mit seinem italienischen Amtskollegen Sergio Mattarella – in Fivizzano, einem Monte Sole vergleichbaren Ort im Norden der Toskana, anlässlich des 75. Jahrestages des dortigen Massakers.
Mit diesem Appell an die Menschen in Deutschland und Italien beendete Bundespräsident Steinmeier seine Rede:
«Unser gemeinsames Europa gründet auf einem Versprechen: nie wieder entfesselter Nationalismus, nie wieder Krieg auf unserem Kontinent, nie wieder Rassismus, Hetze und Gewalt! Daran müssen wir uns erinnern in Zeiten, in denen das Gift des Nationalismus wieder einsickert in Europa. Und wir müssen streiten für Freiheit und Demokratie, für Menschenrechte und Menschlichkeit, für unser vereintes Europa – heute vielleicht sogar stärker als zuvor.
Das schulden wir den Opfern (…), den Überlebenden und ihren Nachfahren.»